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Allgemeinmedizin

Die Berliner Altersstudie II (BASE-II) aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass zwar der Durchschnitt der älteren Erwachsenen weniger sexuell aktiv ist als junge Menschen. Aber fast ein Drittel der 60- bis 80-Jährigen ist nach eigenen Angaben häufiger sexuell aktiv als der Durchschnitt der 20- bis 30-Jährigen. Da ist es wenig überraschend, dass auch bei Älteren die weniger erfreulichen Seiten der Sexualität zum Vorschein kommen.

Syphilis und Tripper sind auf dem Vormarsch

Der seit Jahren beobachtete Anstieg bei sexuell übertragbaren Infektionen wie Gonorrhö (Tripper) und Syphilis betrifft zum Beispiel nicht nur die Gruppe der jungen Erwachsenen, sondern auch die Altersgruppe der über 50-jährigen Männer und Frauen. In Deutschland verzeichnete das Robert Koch-Institut (RKI) 2013 bei den über 60-Jährigen noch etwa 326 Syphilis-Fälle, 2023 waren es in derselben Gruppe dann 930 Fälle. Unabhängig vom Alter zeigen die RKI-Zahlen einen starken Zuwachs bei der Syphilis in den letzten 20 Jahren, die Neuinfektionen stiegen allein zwischen 2021 und 2022 um 23 Prozent auf 8.310 Fälle. Betroffen waren vor allem Männer (94 %). 

Ein Blick über den deutschen Tellerrand bestätigt diesen Trend: Untersuchungen aus den USA zeigen, dass sich die Zahl der STI im letzten Jahrzehnt bei den 55- bis 64-Jährigen verdoppelt hat; aus Großbritannien kam es bei über 45-Jährigen zu einer Verdopplung der Fälle von Gonorrhö und Syphilis in den Jahren 2015 bis 2019. 

Antibiotikaresistenzen breiten sich aus

Eine Labor-Meldepflicht für Nachweise von Neisseria gonorrhoeae (NG) gibt es in Deutschland erst seit September 2022. Bereits seit März 2021 erfasst werden allerdings die Erreger mit verminderter Empfindlichkeit gegen bestimmte Antibiotika. „Hier zeichnet sich eine alarmierende Entwicklung ab“, betont Prof. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen STI Gesellschaft (DSTIG). In Deutschland wurden im Jahr 2022 etwa 700 NG-Infektionen mit verminderter Empfindlichkeit gegen Antibiotika gemeldet – im Jahr zuvor waren es etwa 400 Fälle gewesen. „Die höchste Inzidenz liegt bei Männern und Frauen in der Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen. Es ist aber davon auszugehen, dass die nachlassende Wirksamkeit bestimmter Antibiotika bei allen Altersgruppen zunimmt“, vermutet er. Auch hier folgt Deutschland einem globalen Trend. Ein von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) veröffentlichter Bericht aus China hat einen Anstieg der Resistenzen gegen das First-Line-Antibiotikum Ceftriaxon zur Behandlung der Gonorrhö in den Jahren 2017 bis 2022 um fast das Dreifache vermeldet. „In Deutschland werden leitliniengerecht für die First-Line-Therapie Ceftriaxon und Azithromycin eingesetzt. Eine Resistenz auf Ceftriaxon ist hierzulande noch selten“, berichtet Brockmeyer. Bei Azithromycin gebe es aber bereits eine deutliche Zunahme von 3,5 Prozent (2018) auf 25 Prozent (2022).

Safer Sex gilt auch für Ältere

Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) und die DSTIG fordern angesichts der steigenden Inzidenzen bei Tripper, Syphilis und Co. ein Umdenken im Bereich der Sexualaufklärung, explizit auch für Ältere. „Aufklärungskampagnen zur sexuellen Gesundheit richten sich häufig an die junge Generation. Das ist grundsätzlich richtig. Es muss aber ein Umdenken stattfinden. Für STI ist man nie zu alt“, hebt Prof. Julia Welzel, Präsidentin der DDG, hervor. Ärzte können nach ihrer Ansicht dazu beitragen, indem sie mit ihren älteren Patienten über den Schutz vor STI mit Kondomen und Femidomen beim Geschlechtsverkehr sprechen. Gegen die wachsenden Resistenzen fordern die Fachgesellschaften zudem die Entwicklung neuer Antibiotika und einen bewussten Umgang mit Antibiotikaverschreibungen.

Unerwünschter Exportschlager

Ein zentraler Mechanismus, der die Azithromycin-Resistenz von Neisseria gonorrhoeae vermittelt, ist der Export des Antibiotikums über die Multidrug-Effluxpumpe MtrCDE.

Quelle:

Pressemeldung der DDG