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Medizin

Eine der Hauptaufgaben des menschlichen Immunsystems ist es, Krankheitserreger wie Viren, Pilze oder Bakterien abzuwehren. Wie es dabei auf einen Eindringling reagiert, unterscheidet sich bei Neugeborenen, Säuglingen, Kindern und Erwachsenen. Besonders deutlich wurde das im Rahmen der Corona-Pandemie.

Doch nicht nur virale Erreger wie SARS-CoV-2 können je nach Alter eine unterschiedliche Abwehrreaktion hervorrufen. Eine Forschungsgruppe um Prof. Monika Brunner-Weinzierl von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat dies jetzt in einer aktuellen Studie auch für bakterielle Infektionen bestätigt. Eine entscheidende Rolle spielen dabei sogenannte T-Zellen. Hierzu gehören unter anderem T-Helferzellen, welche für die Erkennung von Antigenen zuständig sind und die Immunantwort einleiten, sowie regulatorische T-Zellen, welche die Selbsttoleranz des Immunsystems regulieren und überschießende Reaktionen drosseln.

“Gaspedal” und “Notbremse” im Immunsystem

Warum diese Funktionen so wichtig sind, erklärte Brunner-Weinzierl wie folgt: „Die immunologischen Anforderungen in den ersten Lebensjahren, wenn das immunologische Gedächtnis noch nicht ausreichend entwickelt ist, sind hoch. Sofortige Abwehrmechanismen sind notwendig, um den Organismus zu schützen, während die gleichzeitige Entzündung gering gehalten werden muss, um Schäden am sich entwickelnden Gewebe zu vermeiden“, erklärt Brunner-Weinzierl.

Zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie die T-Zell-Reaktionen auf die Bakterienstämme Staphylococcus aureus ssp. aureus (S. aureus), Staphylococcus epidermidis (S. epidermidis) und Bifidobacterium longum ssp. infantis (B. infantis) bei Kindern und Erwachsenen untersucht. Unter den Testpersonen waren auch erwachsene Patienten mit COVID-19-Infektion.

Besonders interessant war die Reaktion auf B. infantis, ein Bakterienstamm der besonders häufig im Darm von gestillten Säuglingen vorkommt. „Wir konnten zeigen, dass das Immunsystem tatsächlich aktiv auf die Darmbakterien B. infantis reagiert. Es wurden regulatorische T-Zellen generiert, die hervorragend überschießende Immunantworten abschalten können. Bisher dachte man, dass B. infantis im Darm lediglich als eine Art Barriere fungiert, damit sich potenziell krankheitserregende Bakterien nicht ansiedeln können“, so Brunner-Weinzierl.

Perspektive: Immuntherapie nach Maß

Ähnliche Effekte konnten die Forschenden auch an Zellen von Erwachsenen im Reagenzglas beobachten. „Bemerkenswerterweise konnten die generierten regulatorischen T-Zellen sowohl überschießende Entzündungsreaktionen von COVID-19-Patienten, als auch andere Arten, z.B. allergische Antworten gegen Birkenpollen und S.aureus unterdrücken.“

Die Studienautoren hoffen darauf, dass ihre Erkenntnisse eines Tages zur Entwicklung altersadaptierter Immuntherapien beitragen könnten, die auf die Bedürfnisse von Säuglingen, Kindern und Erwachsenen zugeschnitten sind.