Hält Muttermilchersatz, was die Werbung verspricht?
Dr. Melanie SöchtigGesundheits- und nährwertbezogene Angaben auf Säuglingsnahrung sind umstritten, weil sie Vorteile des Muttermilchersatzes gegenüber dem Stillen suggerieren. Hinzu kommt, dass sie in vielen Fällen nicht wissenschaftlich haltbar sind.
So die Ergebnisse einer aktuellen internationalen Studie aus 15 Ländern. Darin haben die Autorinnen und Autoren Werbeversprechen auf Verpackungen und Internetseiten von 757 Muttermilchersatzprodukten untersucht. Darüber hinaus haben sie die Aussagen auf ihre wissenschaftliche Stichhaltigkeit überprüft.
Was die Werbung bei Säuglingsnahrung verspricht
Von den 757 Produkten wurden 608 Produkten mit mindestens einer gesundheits- bzw. nährwertbezogenen Angabe beworben. Im Durchschnitt waren es zwei Angaben pro Produkt. Die häufigsten Aussagen waren dabei:
- „hilft der/unterstützt die Entwicklung des Gehirns und/oder der Augen und/oder des Nervensystems“ (53 %)
- „stärkt/unterstützt ein gesundes Immunsystem“ (39 %)
- „hilft bei/unterstützt Wachstum und Entwicklung“ (37 %)
Bei 27 Prozent der Produkte fehlte eine Angabe dazu, auf welchen Inhaltsstoff sich die Werbeaussage stützt. In anderen Fällen war der direkte Bezug unklar, weil beispielsweise mehrere Inhaltsstoffe mit einer Aussage verbunden waren.
Lediglich 161 der 608 beworbenen Muttermilchersatzprodukte waren mit einer wissenschaftlichen Referenz versehen, welche die Gesundheitsversprechen belegt. Dabei handelte es sich nur in 14 Prozent der Fälle um registrierte klinische Studien. Ein Großteil davon (88 %) wurde entweder von der Nahrungsmittelindustrie finanziert oder von Autorinnen und Autoren durchgeführt, die direkt mit der Industrie verbunden waren.
Angaben zu Säuglingsnahrung wissenschaftlich nicht belegt
Die am häufigsten in den Werbeaussagen genannten Gruppen von Inhaltsstoffen waren langkettige, mehrfach ungesättigte Fettsäuren (46 %), Präbiotika, Probiotika oder Synbiotika (37 %) und hydrolysiertes Protein (20 %).
Teils standen mehrere Inhaltsstoffe mit gleichartigen gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben in Verbindung. So wurde beispielsweise „stärkt/unterstützt ein gesundes Immunsystem“ einerseits Präbiotika, Probiotika oder Synbiotika zugeschrieben und andererseits Vitaminen.
Umgekehrt wurden einzelne Inhaltsstoffe mit verschiedenen Angaben verknüpft. Ein Beispiel hierfür sind langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren, denen folgende Eigenschaften zugeschrieben wurden: „hilft der/unterstützt die Entwicklung des Gehirns und/oder der Augen und/oder des Nervensystems“, „hilft bei/unterstützt Wachstum und Entwicklung“, „stärkt/unterstützt ein gesundes Immunsystem“, „leicht verdaulich“, „unterstützt die gesunde Verdauung“.
Forderung nach Verbraucherschutz
Das Fazit der Autorinnen und Autoren: „Wir haben festgestellt, dass auf Säuglingsnahrungsprodukten in mehreren Ländern sehr häufig Angaben gemacht werden, die wissenschaftlich kaum oder gar nicht belegt sind. Diese Ergebnisse unterstützen die Forderung nach einem überarbeiteten Rechtsrahmen für Muttermilchersatzprodukte, um die Verbraucher besser zu schützen und die mit der aggressiven Vermarktung solcher Produkte verbundenen Schäden zu vermeiden.“