Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Allgemeinmedizin

Seine Mutter habe den Schmerz weggepustet, wenn er als Kind gestürzt sei, erläuterte Prof. Eckart von Hirschhausen zu Beginn seines Vortrages. Wie der wegfliegende Schmerz durch das geschlossene Zimmerfenster kam, daran habe er als vierjähriges Kind nicht gedacht. Ganz wichtig sei bei all dem Wissen, wie die Schmerzleitung funktioniere und welche Substanzen daran beteiligt seien, die Tatsache, dass Schmerz auch eine psychosoziale Komponente habe. So sei es auch wichtig, dass Betroffene wissen, es gibt jemanden, der einen in solch einer Situation einfach mal in den Arm nimmt.

Wesentlich ist für Betroffene, und das wurde in mehreren Vorträgen und Diskussionen betont, dass ihre Beschwerden ernst genommen werden und sie der eigenen Situation adäquate Informationen bekommen. Das kann beim Kind zusammen mit der Linderung durch das Pusten auf die schmerzende Stelle die Vorstellung vom wegfliegenden Schmerz sein. Bei chronisch schmerzkranken Menschen geht es darum, dass wir als Ärzte den Betroffenen erst einmal zuhören. Dr. Johannes Horlemann, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e. V. (DGS), und Norbert Schürmann, der Vizepräsident der DGS, forderten in der Einführungspressekonferenz des Schmerz- und Palliativtages, dass chronische Schmerzpatienten besser versorgt werden müssten. Horlemann präzisierte dazu: „Wir sind Schmerz- und Palliativmediziner geworden, damit unsere Patienten gut versorgt sind und wieder ‚endlich leben‘ – nicht nur in der Palliativsituation“. Das war auch das Motto der Tagung.

Zuhören kann Leiden lindern

Betrachte man die Situation in Deutschland, so bekomme jeder, der nicht bei drei auf den Bäumen ist, eine Hüft- oder Knieendoprothese, so von Hirschhausen. Der Grund: Bewegungsstörungen. Salopp ausgedrückt bestehen Fehlanreize, die zur Überversorgung führen. Denn trotz Operation seien die Beschwerden nicht immer weg. Außerdem bestehe oft eine Unterversorgung. Vor allem müsse man mit den Betroffenen sprechen und nicht sofort nach dem Blick auf CT und MRT operieren.

Diese Einschätzung teilte auch PD Dr. Michael A. Überall, Vizepräsident der DGS und Präsident der Deutschen Schmerzliga (DSL) e. V., in der Einführungspressekonferenz. Er wäre froh, wenn eine Zweitmeinung vor einem elektiven Eingriff obligat wäre – und nicht nur optional wie dies aktuell sei. Zudem forderte er, dass die Zweitmeinung nicht von einer einzelnen Person abgegeben werden sollte, sondern von einem interdisziplinären Team. Nach seinen Worten belegen Daten, dass solch ein Vorgehen, die geplante Operation vielfach als unnötig bewerten würde.

Bei einer Podiumsdiskussion zu ärztlich assistierter Sterbehilfe wurde eine Problematik deutlich. „Wir sollten die Todeswünsche unserer Patienten ernst nehmen, ihre Not verstehen und diese lindern“, sagte Prof. Claudia Bausewein, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin e. V. (DGP). In der weiteren Diskussion wurde es als problematisch angesehen, dass ein Arzt in der linken Kitteltasche die Spritze habe, die Leiden erträglich macht, und in der rechten die Spritze, die Leiden beenden könne. Abgesehen davon, und da waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig, kommt es für einen Arzt nicht infrage, eine tödliche Spritze zu verabreichen. Die Kernaussage der Diskutanten lautete, dass sie ihre sterbewilligen Patienten nicht allein lassen. Aber den Wunsch einer Sterbeassistenz habe noch keiner geäußert, betonten zwei langjährig erfahrene Teilnehmer.

Wer zuhört …
… erfährt, was einem Schmerz- oder Palliativpatienten am wichtigsten ist. Mit unserer ärztlichen Meinung liegen wir manchmal kräftig daneben. Entscheiden ist der Wunsch der Betroffenen.

Quelle: Schmerz- und Palliativtag