Männer sind beim Geldanlegen gieriger als Frauen
A&W RedaktionPetra Ahrens ist Vorstand bei der MAIESTAS Vermögensmanagement AG aus Köln und Mitbegründerin der CAPA AG FinanzWeitBlick, die seit Oktober 2021 Finanzberatung von Frauen für Frauen anbietet. Sie erklärt, was weibliche von männlichen Investoren unterscheidet und was „er“ von „ihr“ lernen kann.
Gibt es ein Ungleichgewicht beim Thema Finanzen zwischen Männern und Frauen in Beziehungen?
Ahrens: In der Realität kümmert sich bei vielen Paaren oft der Mann mehr oder weniger allein um die Finanzangelegenheiten. Das muss nicht per se schlecht sein, aber grundsätzlich würde ich mich als Frau nicht allein von meinem Partner finanziell beraten lassen. Männer und Frauen haben nicht selten ein anderes Risikoempfinden. Was für den einen passt muss nicht das Richtige für den anderen sein. Ich empfehle, sich hier unabhängig voneinander externen Rat einzuholen und dann auf dieser Basis gemeinsame, aber auch individuelle Lösungen zu finden.
Wie unterscheiden sich die Geschlechter beim Anlegen?
Ahrens: Kurz gesagt, Männer sind bei der Geldanlage gieriger als Frauen. Für viele Herren ist es der größte Schmerz, wenn sie die Kurse nach oben schießen sehen und da nicht dabei sind. Natürlich gehen nicht alle Männer an Geldanlagethemen mit einer Zocker-Mentalität heran, aber es ist im Schnitt häufiger. In manchen Marktphasen kann es durchaus gut funktionieren, höhere Risiken einzugehen. Aber nicht selten läuft man dann Trends hinterher und steigt zu spät ein beziehungsweise wieder aus.
Welche Eigenschaft prägt den Anlagestil von Frauen?
Ahrens: Frauen sind beim Geldanlegen im Großen und Ganzen weitblickender. Sie leiden besonders unter erlittenen Verlusten und stellen sich deswegen lieber solide als vorwiegend chancenorientiert auf. Das bedeutet auf der einen Seite natürlich, dass sie nicht bei jedem Hype mit von der Partie sind. Auf der anderen Seite sind sie eben auch nicht bei jedem Crash voll dabei.
Sollte „Mann“ sich hier etwas abschauen?
Ahrens: Wenn zum Beispiel Kryptowährungen alle paar Wochen ihren Kurs verdoppeln, fällt es vielen Männern schwer nicht mitzumischen. Die damit einhergehenden Risiken werden gerne unterschätzt. Das gilt natürlich ersteinmal geschlechtsunabhängig, aber Männer sind meiner Erfahrung nach dafür anfälliger. Sie sehen vor allem die verpassten Chancen, statt stetige Erfolge wertzuschätzen. Das können wir häufiger bei Frauen beobachten, die im Zweifel lieber keine zu großen Risiken eingehen.
Sind Frauen die besseren Anleger?
Ahrens: Frauen neigen dazu, Investmententscheidungen besonnener zu treffen und langfristiger durchzuhalten. Immer nach dem maximalen Gewinn und dem optimalen Timing zu streben, klingt nur nach einer guten Idee, lässt sich aber kaum langfristig realisieren und führt allzu oft zu heftigen Verlusten. Auf Weitsicht ausgelegte, gut ausbalancierte Anlagestrategien schneiden in den allermeisten Fällen über Jahre und Jahrzehnte betrachtet besser ab. In diesem Sinne sind Frauen tatsächlich die besseren Anleger.
Warum investieren trotzdem deutlich weniger Frauen in Aktien und Fonds als Männer?
Ahrens: Viele Frauen haben ein mangelndes Interesse an Finanzthemen, sammeln dadurch weniger Erfahrung und bewerten Aktien und Co. eher negativ. Dazu gibt es nur sehr wenige weibliche Vorbilder. Die Investorin als „Role Model“ muss erst noch besetzt werden. Vielleicht ist es auch einfach an der Zeit, dass sich Influencerinnen nicht mehr nur mit dem Auspacken von Einkäufen beschäftigen. Sie sollten sich besser der Bedeutung von langfristigem strategischem Handeln für Vermögensbildung widmen. Es wurde in den letzten Jahrzehnten viel erkämpft, etwa dass Ehefrauen seit 1958 ihr Vermögen selbst verwalten oder seit 1977 unabhängig von Kindern und Haushalt über ihr Berufsleben entscheiden dürfen. Diese Freiheiten gilt es selbst noch stärker in die Hand zu nehmen, das wird sich für Frauen im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen.
Frauenpower für die Kurse
Eine Auswahl der um Gleichstellung am meisten bemühten europäischen größeren und mittleren Unternehmen schlägt den Durchschnitt. Mehr weibliche Führungsbeteiligung bedeutete in den letzten vier Jahren auch mehr Wertentwicklung – sowohl vor als auch nach dem Pandemiebörsenschock. Die derzeit 74 Mitglieder des Solactive Equileap Europe Gender Equality GTR Index waren dem Stoxx Europe 600 Index (NR) fast immer einen Schritt voraus. Das allein sollte eher noch kein Investmentkriterium sein, aber eine gute Führungsmischung unter Geschlechtsgesichtspunkten ist offensichtlich sicher kein Nachteil.
Das sind die zehn europäischen Unternehmen aus der Auswahl mit dem höchsten Gleichstellungsrang:
Name | Land | WKN | Beschreibung |
---|---|---|---|
Atos | Frankreich | 877757 | IT-Software |
Aeroports de Paris | Frankreich | A0J2WM | Flughafenbetreiber |
Michelin (CGDE) | Frankreich | 850739 | Automobilzulieferer |
Telenor | Norwegen | 591260 | Telekommunikation |
Elisa | Finnland | 615402 | Telekommunikation |
Vitrolife | Schweden | A2JLT3 | Biotechnologie |
ASR Nederland | Niederlande | A2AKBT | Versicherung |
Hermes international | Frankreich | 886670 | Luxusgüter |
Royal Mail | Großbritannien | A1W5N2 | Logistik |
Sweco | Schweden | A2QJA5 | Architektur |
Quelle: Factsheet Solactive Equileap Europe Gender Equality GTR Index, Stand 10.2.2022 |
Kaum mehr Aktiensparerinnen
In den letzten zehn Jahren hat sich der Anteil der Frauen, die zum Sparen auf Aktien oder Fonds setzen, nur geringfügig verbessert. Mehr als jeder fünfte Mann nutzt heute die Chancen der Börse, aber nur etwas mehr als jede zehnte Frau.
Internetlink: https://www.dai.de/fileadmin/user_upload/220119_Aktionaerszahlen_2021_Deutsches_Aktieninstitut.pdf (Seite 13)
Autor: Florian Junker
Bitte beachten Sie: Es handelt sich um einen Gastbeitrag, der die Meinung des Autors/Interviewpartners wiedergibt und keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Der Beitrag dient nur der allgemeinen Information und kann eine individuelle Vermögensberatung nicht ersetzen.