Interview: „Vermögen vor inflationärer Epoche schützen“
A&W RedaktionDie Zeiten immer günstigerer Verbraucherpreise sind wohl vorbei, sagt Markus Steinbeis, geschäftsführender Gesellschafter bei der Steinbeis & Häcker Vermögensverwaltung GmbH aus München. Es gilt, das Ersparte so zu investieren, dass es mit der Inflation real mitwächst und nicht nur optisch Zinsen einbringt.
Sollten Anleger die Inflation entspannter betrachten?
Steinbeis: Nein, es spricht viel dafür, dass wir am Anfang einer inflationären Epoche stehen. Die letzten Jahrzehnte waren geprägt von Globalisierung und Automatisierung, aber auch von einem günstigen politischen Umfeld wie dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation. Strukturelle Prozesse wie etwa erweiterte Lieferketten und Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer haben dazu geführt, dass viele Produkte für die Verbraucher günstiger wurden. Aber diese Effekte verlieren gerade an Bedeutung. Genau genommen war wahrscheinlich diese desinflationäre Phase, auch wenn sie lange gedauert hat, eine Anomalie und wir kehren gerade zur Normalität zurück.
Was ist heute anders?
Steinbeis: Schon seit einigen Jahren wird der Großkonflikt zwischen den USA und China immer stärker spürbar. Das führt letztlich dazu, dass der Film der Globalisierung ein Stück weit quasi rückwärts abläuft. Sanktionen, Embargos, politische Handelshemmnisse und auch die Erfahrung von Lieferkettenproblemen in der Coronapandemie führen dazu, dass sich Unternehmen wieder stärker regionalisieren und das verursacht massive Kosten.
Aber was hat das alles mit unserer Inflation zu tun?
Steinbeis: Wenn Unternehmen wieder auf Lagerhaltung statt Just-in-time setzen oder Produktion aus dem günstigen Ausland zurück ins Heimatland holen, macht das die Waren für die Verbraucher teurer. Ein prominentes Beispiel: Wenn Apple seine iPhone-Produktion von China nach Indien verlagert, kostet das schon Geld. Aber wenn die Lage in der Region noch ungemütlicher wird und die Produktion der Smartphones immer mehr im Mittleren Westen erfolgt, wird das die beliebten Smartphones sicher noch deutlich teurer machen.
Welche Faktoren spielen hier noch eine Rolle?
Steinbeis: In vielen Bereichen sind Rohstoffe, unter anderem aufgrund von fehlenden Investitionen in Abbaukapazitäten, knapp. Gleichzeitig wollen wir das Klima schützen und Dekarbonisierung vorantreiben, was große Investitionsanstrengungen benötigt. Zusätzlich führt die demografische Entwicklung dazu, dass durch die Überalterung der Gesellschaft Fachkräfte ein immer knapperes und damit auch kostspieligeres Gut werden. Das alles sind keine kurzfristigen Ereignisse, sondern langfristige strukturelle Entwicklungen, die für steigende Preise sprechen.
Was rentiert sich unter diesen Vorzeichen als Anlage nicht mehr?
Steinbeis: Mit sicheren Zinserträgen real Vermögen zu erhalten, wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein. Wer sich heute über zwei oder drei Prozent auf dem Tagesgeldkonto freut, muss verstehen, dass er unter dem Strich nicht besser oder sogar schlechter dasteht als in der Nullzinsphase mit noch geringen Inflationsraten. Es gilt nicht einer Nominalzinsillusion zu erliegen, denn letztlich kann man sich in beiden Fällen über die Jahre immer weniger für das Vermögen kaufen, da die Preise schneller steigen, als das durch Zinserträge ausgeglichen wird.
Wie investiert man in mögliche Inflationsgewinner?
Steinbeis: Interessant sind hier zum Beispiel Aktien von Unternehmen, die Preissetzungsmacht haben, weil sie als einer von ganz wenigen etwas Wichtiges herstellen können oder Zugang zu knappen Rohstoffen haben. Aber auch Geschäftsmodelle, die eine wenig preissensitive Kundengruppe ansprechen, wie etwa Luxusmarken, kommen mit Inflation in der Regel gut zu Recht. Grundsätzlich können auch Edelmetalle und Rohstoffe helfen, Vermögenswerte in Inflationszeiten zu erhalten, aber das ist hier nur einer von vielen Faktoren bei der Preisfindung. Es braucht für erfolgreiche Investitionen in diese Märkte Expertise, ähnlich wie beim Klassiker Immobilien. Nicht jedes Betongold schützt Vermögenswerte, das ist nüchtern betrachtet sehr heterogen und abhängig von der Lage, Nutzungsart und Erhaltungsaufwand.
Was ist das derzeit wichtigste Grundprinzip, um Vermögen vor der Inflation zu schützen?
Steinbeis: Wer Vermögen real erhalten will, wird das eher als Eigentümer und nicht als Gläubiger schaffen. Sein Geld hauptsächlich gegen sichere Zinsen zu verleihen, was gerade immer noch viele deutsche Bankkunden auf Sparbüchern, Festgeldkonten und Co. machen, wird in Inflationszeiten gnadenlos bestraft und man wird letztlich enteignet. Im Prinzip muss das Kapital mit der Inflation mitwachsen und das gelingt mit Sachen, die auch zukünftig knapp und gefragt sein werden.
Internationale Aktien top als Inflationsschutz
Wer nicht nur die Kaufkraft von Geld über Jahrzehnte erhalten, sondern auch noch vermehren wollte, war mit der globalen Mischung des MSCI World-Aktienindex bestens aufgestellt: Im Zeitraum von 1970 bis 2022 lag die reale Durchschnittsrendite dieser Anlageform bei 4,9 Prozent pro Jahr. Das heißt, trotz einer gemittelten jährlichen Inflationsrate in Deutschland von 2,8 Prozent, wuchs die Kaufkraft mit dieser Anlageform in über 50 Jahren deutlich. Die gute Nachricht: Auch andere Anlagen von Gold über Bundesanleihen bis zu deutschen Standardaktien aus dem DAX konnten Vermögen nicht nur real erhalten, sondern die Kaufkraft vermehren, wenn lange Zeiträume betrachtet werden. Die schlechte Nachricht: Wer dagegen Geld über einen langen Zeitraum unverzinst unter dem sprichwörtlichen Kopfkissen liegen ließ, konnte sich nur noch etwa ein Viertel der Waren dafür kaufen. Bei einer negativen Realverzinsung, wie sie viele in den nächsten Jahren erwarten, könnte ähnliches in Zukunft auch bei sicheren Anleihen oder Bankeinlagen wie Sparbüchern und Tagesgeld passieren.
Autor: Florian Junker