„ETFs sind sicher kein Allheilmittel!“
A&W RedaktionLothar Koch, Leiter des Portfoliomanagements des Vermögensverwalters GSAM + Spee Asset Management AG aus Krefeld erklärt, für wen sich börsengehandelte Indexfonds besonders gut eignen und für wen eher nicht.
Sind ETFs das perfekte Basisinvestment gerade für unerfahrene Anleger?
Lothar Koch: Hinter der Abkürzung ETF stecken in der Regel börsengehandelte Indexfonds und die haben tatsächlich mehrere Vorteile. Einerseits ermöglichen sie es, schon kleinere Beträge breit gestreut und gegen vergleichsweise geringe Gebühren anzulegen. Im Vergleich zu einem aktiv gemanagten Fonds sprechen wir hier nur über einen kleinen Bruchteil der Kosten. Andererseits haben Neulinge den Vorteil, wenn sie ein bekanntes Börsenbarometer wie den deutschen Leitindex Dax per ETF kaufen, dass es denkbar leicht ist, sich über die Entwicklung dieses Investments zu informieren. Gerade für den langfristigen Vermögensaufbau per Sparplan eignen sich ETFs sehr gut, da hier Schwankungen keine so große Rolle spielen und sich der Kostenvorteil auf Dauer besonders auszahlt. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.
Was für Nachteile haben Indexfonds?
Lothar Koch: Anleger sollten nicht vergessen, dass sie sich mit einem typischen ETF auch die typischen Schwankungsrisiken eines Aktienindex ins Depot holen. Zum Beispiel hatte der Dax in den letzten Jahrzehnten zwischenzeitlich immer einmal wieder zweistellige Verluste. Zuletzt war es etwa von Jahresbeginn an bis Anfang März 2022 ein Minus von rund 24 Prozent im Zuge des Ukrainekriegs. Es ist eine Frage des Risikotyps, ob man bei solchen Verlusten noch ruhig schlafen kann. Hier kann ein aktiver Fondsmanager eingreifen und bei Gefahren am Horizont zum Beispiel die Aktienquote reduzieren, was im Idealfall Verluste begrenzt.
Wie sollte man ETFs besser einsetzen?
Lothar Koch: Eine breite Streuung kann helfen, Einzelrisiken zu reduzieren. Statt nur auf den deutschen Markt mit einem Dax-ETF zu setzen, also zum Beispiel noch andere Länderindizes ins Depot nehmen oder gleich eine weltweite Zusammenstellung wählen. Generell würde ich empfehlen, immer die finanzielle Gesamtsituation zu analysieren und nicht alles nur per ETF auf Aktien zu setzen. Welcher Anteil des Vermögens in volatile, aber chancenreiche Anlageformen investiert werden sollte, hängt vom persönlichen Risikoprofil ab. Das muss immer neu bestimmt werden, denn es verändert sich etwa mit Lebensalter oder der familiären Situation.
Wer sollte von passiven Indexfonds besser die Finger lassen?
Lothar Koch: Sicherheitsbewusste Anleger, die einmalig einen für sie hohen Betrag auf begrenzte Zeit investieren wollen. Stellen Sie sich vor, Sie legen Geld aus einem Hausverkauf oder einer ausgezahlten Lebensversicherung für den Ruhestand in ein paar Jahren an. Bei einem Crash ist dieses Geld plötzlich ein Viertel weniger wert. Würden Sie dann noch ruhig schlafen können? Aus meiner Erfahrung kann ich zudem sagen, dass in einem negativen Nachrichtenumfeld Verluste die meisten Menschen mehr schmerzen, als sie erwartet haben. Wer in so einer Situation dann nicht die Ruhe bewahrt oder verkaufen muss, hat den Kostenvorteil der ETFs am Ende oft teuer bezahlt. Nur für diejenigen, die genug Zeit und Durchhaltevermögen haben, solche Verlustphasen auszusitzen, sind ETFs die bessere Wahl.
Wie wichtig ist es, auch bei ETFs zu verstehen, was man hier kauft?
Lothar Koch: Wer ein Finanzprodukt kauft, sollte immer wissen, was er hier genau bekommt. Nur weil auf etwas ETF draufsteht, muss es nicht einfach sein. Vielen ist zum Beispiel nicht bewusst, dass manche Produkte gar nicht die Aktien des zugrundeliegenden Index enthalten müssen, sondern die Anbieter den Wert nur errechnen und mit anderen Dingen hinterlegen. Außerdem können Anfänger per ETF nicht nur Unternehmensaktien abbilden, sondern auch zum Beispiel in Rentenmärkte investieren. Aber ist ihnen dann auch klar, dass Staatsanleihen nicht automatisch sicher Erträge bringen, sondern ihre Kurse in Erwartung steigender Zinsen in der Regel fallen? Das ändert nichts daran, dass ETFs ein sehr guter Baustein in einem Depot sein und sich damit viele Märkte sehr günstig abbilden lassen können. Aber ein Allheilmittel für Anleger sind sie sicher nicht.
Wie wichtig sind Kosten bei ETFs?
Lothar Koch: Natürlich hätten wir alle immer gerne das preiswerteste Produkt, aber wir als Vermögensverwalter setzen nur physisch replizierende Indexfonds ein. Die sind oftmals ein paar 0,x Prozentpunkte teurer, aber dafür haben wir die Gewährleistung, dass bei einer Anbieterpleite dann letztlich wirklich zum Beispiel die 40 Aktien des Dax in einem ETF liegen und nicht irgendwelche Werte. Bei meist günstigeren Swap-basierten Produkten, die Märkte über Termingeschäfte abbilden, ist das für mich so ein bisschen wie der Unterschied zwischen echtem Frischkäse und einer Frischkäsezubereitung. Beides sieht ähnlich aus, aber wer sich die Zutatenliste einmal genauer ansieht, zahlt vielleicht gerne etwas mehr für das Original.
Sechs interessante ETFs als Basisinvestment
Name | ISIN | Kosten | Beschreibung |
---|---|---|---|
iShares Core MSCI World | IE00B4L5Y983 | 0,20 | 1539 Aktien aus Industrieländern |
iShares MSCI World SRI | IE00BYX2JD69 | 0,20 | Nachhaltigkeitsauswahl von 379 Aktien aus dem MSCI World |
Vanguard FTSE All-World | IE00B3RBWM25 | 0,22 | 3746 Aktien aus aller Welt |
Deka DAX | DE000ETFL011 | 0,15 | 30 Aktien des Dax |
Lyxor Core STOXX Europe 600 | LU0908500753 | 0,07 | Knapp 600 Aktien europäischer Unternehmen |
iShares Core MSCI EM | IE00BKM4GZ66 | 0,18 | Knapp 3000 Aktien aus Schwellenländern |
Quelle: extraetf.com (21.4.22) |
Autor: Florian Junker